Harald Hilscher
Klangkünstler
lebt und arbeitet in Wuppertal
2011
Harald Hilscher hat den Surrealismus zum Klingen gebracht. Er lässt die Bilder tanzen, ohne dass sie sich bewegen müssen ...
1958
geboren in Haan/Rheinland
1979-86
Studium der Visuellen Kommunikation an den FH in Trier und Düsseldorf, Diplom bei Prof. Rudi Assmann – Illustration, Ulrich Tillmann – Fotografie
Mitglied im Westdeutschen Künstlerbund
Andreas Steffens
Hören, um zu sehen
Harald Hilschers Hör-Bild-Collagen
Wer sehen will, muss hören.
Die Collage-Technik eines Max Ernst konzeptionell mit akustischen Zitaten aus der Alltagswelt des Gehörs erweiternd hat Harald Hilscher den Surrealismus zum Klingen gebracht. Er lässt die Bilder tanzen, ohne dass sie sich bewegen müssen. Mit Filmminiaturen, die er den Collage-Bildern einfügt, erprobt er die Beruhigung der Bewegung als Ziel der Sehnsucht nach Entschleunigung.
Die Wiederholung desselben in der Bestimmung seiner Motive und die Abweichung der Mutation, die dabei unweigerlich unterläuft, macht Hilscher zum Prinzip seiner erweiterten Collagekunst. Die Anmutung ihrer Askese, die besonders von der Beschränkung auf das Schwarz-Weiss erzeugt wird, überdeckt in kalkulierter Zurückhaltung und Verzögerung die tatsächlich in ihr angelegte subtile Forderung und Förderung der Sinne. Der vordergründige Verzicht der Klangobjekte auf die Sinnlichkeit der Farbe wird kompensiert durch die Verdoppelung des Collagevorgangs durch die Einbeziehung von Tönen und die Aktivierung des Gehörs, das hinhört, während das Auge die Zeichen entziffert, und die Einbeziehung des Lichts, das wiederum an das Auge appelliert, in dem alle möglichen Farben gebunden und durch seine Brechung im Prisma hervorkehrbar sind. Die eingeschränkte Sinnlichkeit erweist sich als eine subtile Aktivierung der Sinne.
Dass in den Sinnen bereits Sinn stecke, hatte die Neuzeit mühsam neu zu lernen. Dass es ohne Sinne keine Einsicht gebe, ist erst spät erwogen, noch später anerkannt worden. Es bedurfte eines Weltkrieges und der Folgen der ‚Totalen Mobiliserung’ mit Millionen Toten, um Skepsis am absoluten Anspruch des Rationalismus zu wecken, der sich in der Technik ebenso weltbildend wie -zerstörend verkörperte. Dennoch: Rationalität, das Vermögen der Erkenntnis aus Begriffen, gilt ungebrochen als oberste Instanz und letzt- verbindliches Medium gesicherter Erkenntnis. Denn die Sinne täuschen.
Künstler wussten immer, dass das eine Fehlinformation ist, und sie wissen es auch heute noch. Harald Hilscher manifestiert Erkenntnis aus den Sinnen mit den Mitteln der Synästhesie: hörend lässt er uns sehen, sehend hören, was uns zu dem macht, was wir sind: Lebewesen.
Als Collagist hat der Klang-Raum-Plastiker Hilscher es schon seit langem mit der werkermöglichenden, also lebensproduktiven Eigenschaft der Knochen zu tun, den unverrottbaren materiellen Überresten der im Fleisch verwesten Lebewesen: zu Leim verkocht, Stoffe miteinander so zu verbinden, dass sie anderen Sinn aufnehmen können.
Sinn, der in den Sinnen schon gewesen sein muss, bevor er sich dem Verstand entdecken kann. Wir müssen hören, um sehen zu können, sehen, um hören zu können; fühlen, um denken, denken, um fühlen zu können – alles das aber ist eine Einheit, die Einheit des Lebens, das aus Verwesung entsteht. In den ruhigen Bewegungen, in denen das Auge die Bildstrukturen nachzeichnet, geschieht so eine vollkommen verborgene, unmerkliche Wiederkehr des barocken Totentanzes: der Knochenmann führt die Tänzer auf dem Fest des Lebens an den Schnüren der Vergänglichkeit.
Zum Mythos der Künste gehört dagegen auch in der Moderne noch die Vorstellung des Überdauerns: Kunst scheint etwas zu sein, das auf Dauer angelegt ist. So sind Kunstformen selten geblieben, die Vergänglichkeit einkalkulieren, auch ihre eigene. Das Ende dieser Kunst ist absehbar: sie wird spätestens enden, wenn der letzte Fotokopierer verschrottet sein wird, und dies zu Lebzeiten des Künstlers geschehen sollte. Denn dieser Apparat ist Harald Hilschers wichtigstes Handwerkszeug, gleich nach seinem Gehirn: mit ihm produziert er seinen bildnerischen Rohstoff. Die provozierten Fundstücke, die er als ein Ausschnittsammler unter Zuhilfenahme einer Reihe anderer Materialien und technischer Vorrichtungen zu strengen Objekten von klarer Formsprache und unaufdringlicher Komplexität formt, stellen subtile kleine Monumente dar, ironisch verdichtete Gedenkstätten einer technischen Kultur, die sich am liebsten dafür feiert, dass sie unablässig Vorläufigkeiten, Flüchtigkeiten produziert, Dinge, die heute begeistert begrüßt werden, um morgen schon wieder zu verschwinden.
2011
wortgewand – Museum Bad Berleburg
2010
Liquid-Area – Ruhrkunstmuseum, Städt.Galerie Schloß Strünkede, Herne; HUMUS – Maschinenhalle Zeche Scherlebeck, Herten
2009
11:1 Heimvorteil – Museum am Ostwall, Dortmund; Wechselwirkungen – Galerie KOBRO, Łódź, Polen
2008
XXXY – Galerie Westfalenhütte, Dortmund
2007
vom beginnen – Wein.Kult, Wuppertal, Große NRW – Kunstpalast, Düsseldorf
2006
Le Petit Rien deux – Zeche Unser Fritz 2/3, Herne
2005
Posiciones – Pinacoteca/Casa del Arte de Concepción, Chile