Irene Warnke

Künstlerin

1942 in Dortmund geboren
lebt und arbeitet in Berlin

"...beim Malen zählen Form und Farbe. Alle Weltanschauungen, politische Ereignisse, Geschichten, Metaphern, Allegorien und sonstige flüchtige Ideen sind fast immer morgens vergessen und neue Erkenntnisse treten an die Stelle der alten und lassen alles wieder ganz anders erscheinen.”
Irene Warnke, Ausstellungskatalog „Tripping”, Stadtsparkasse Wuppertal 2001

1942
in Dortmund geboren

1960
Graphikstudium an der Folkwangschule Essen

1963
Studium an der Hochschule der Künste Berlin

1967
Erfahrungen mit Drogen führen zur Aufgabe des Studiums

1971
Gründung der Synanon Gemeinschaft

1971 - 2000
Arbeit und Leben in Synanon, einer Selbsthilfeorganisation für ein Leben ohne Drogen

1982
Wiederaufnahme der künstlerischen Arbeit, lebt und arbeitet in Berlin

Ausstellungen und Projekte
Auswahl

seit 1982
Galerie Mutter Fourage, Berlin
Kunstpause, Berlin
Werkstatt Sigrid Hacker, Berlin
Galerie am Prater, Berlin
Urbankrankenhaus, Berlin
Atelier- und Galerie-Kollektiv, Wuppertal
Café Fleck, Kirchhain
Ziegenstall, Hof Fleckenbühl, Coelbe
Galerie Keramik und Kunst, Potsdam

1993-1999
Sieben Schmerwitzer Kunstwochen
Konzept und Durchführung zusammen mit dem Atelier- und Galerie-Kollektiv Wuppertal

Bilder
sind wie Gedichte.
Geheimnisvoll.
Nicht genau zu analysieren.
Durch was wirken sie eigentlich?
Verwandt den Naturerscheinungen,
einer Windhose,
dem Nachthimmel
kurz bevor es hell wird,
Frost.
Trockener Hitze?
Ob das Ähnlichkeit hat
mit menschlicher Hervorbringung?
Sicher wünscht man sich das nur.

Angesammelte Gedanken
Seelenreste
Immer das Gleiche ...

Aromatische Früchte sollen helfen,
wenn man sie ißt.

Ich erinnere mich nicht.
ich erinnere
was ich vergessen will
und vergesse
was ich erinnern will

Von dem Widerspruch, auf dieser Erde in einem BEGRENZTEN RAUM zu sein und von den Sternen im unbegrenzten Raum zu wissen.
Und niemand konnte herausfinden, ob er begrenzt oder unbegrenzt ist.

Beim Malen
zählen Form und Farbe.
Alle Weltanschauungen,
politischen Ereignisse,
Geschichten,

Die Vielfalt von Bild-Wirklichkeiten

Über das sogenannte oder vermeintliche Ende der Malerei wurde und wird viel diskutiert. Es gibt die melancholische Stimmung, aber auch Reaktionen des Triumphes – der Trauer steht die Gewissheit gegenüber, dass die Malerei der Vergangenheit angehörte, dass ihre Zeit abgelaufen sei. Ich weiß nicht genau, wie es um diesen angeblich Toten bestellt ist und frage mich, ob die einen und die anderen nicht doch zu übereilt vorgehen, überreagieren, eben nach Lust und Laune, wie es ihnen gerade gefällt. Vielleicht sind einfach die Prämissen falsch, nach denen geurteilt wird, oder es werden die richtigen Fragen nicht gestellt. Es kann ja nicht nur von diesen oder jenen Medien die Rede sein, von Verfahren und technischen Prozessen. Es geht vielmehr um die Erzeugung von Bildern insgesamt, das heißt um einen größeren Kontext – eine Antwort muß auf diesem Gebiet gegeben werden.

Banalitäten sollten vermieden werden, so auch die monotone Wiederholung, daß wir in einer von Bildern überfluteten Welt leben. Die Zeit liegt weit zurück, und die Angelegenheit erscheint im Rückblick harmlos, in der die Malerei der Konkurrenz durch die Fotografie ausgesetzt war. Die Bilder heutzutage sind andere – es gibt eine Vielzahl, und dieses Übermaß schließt einen Qualitätssprung ein. Es gibt ihre grundverschiedene Wesensart, Bilder unterschiedlicher Wirklichkeiten, Bilder der Virtualität, ihr Aufflackern und Erlöschen auf dem Schirm – Schein und Sein lagen nie näher beieinander. Letztendlich leben die Menschen heute nicht in der Welt. Sie leben nicht einmal in der Sprache. Sie leben vielmehr in ihren Bildern, in den Bildern, die sie sich von der Welt, von sich selbst und von anderen Menschen gemacht haben, die man ihnen von der Welt, von sich selbst und von anderen Menschen gemacht hat.

In dieser Vielfalt hat die Malerei ihre gleichberechtigte Bedeutung. Es interessiert eine breitgefächerte Ausrichtung, die auch über den Tellerrand der Kunst blickt. Dieses Ziel ist auch den drei Malerinnen Nanny de Ruig, Renate Löbbecke und Irene Warnke gemeinsam. De Ruigs Maltechnik verschleiert das Dargestellte. Einzelne Elemente aus Landschaften sind in ihren Stilleben zwar erkennbar, besitzen aber eher einen verallgemeinernden Charakter, das heißt sie sind nicht eindeutig identifizierbar. Die Expressivität der Farbe scheint hier im Vordergrund zu stehen. Bei Löbbecke wird das Bildgeschehen durch das Ornament geprägt. Es interessiert der menschliche Körper, der verschachtelt und verschieden variiert in gleichmäßiger Wiederholung zusammengesetzt wird. Durch den monochromen Farbflächengrund wird ein visueller Reiz erzeugt, der optische Täuschungen provoziert. Die Malerei von Warnke scheint dem realistischen Abbild am nächsten. Aber auch hier, und dies gilt insbesondere für die Darstellung der menschlichen Gestalt, fällt ein verallgemeinernder Charakter auf. Gebärden sind zwar angedeutet, aber es ist häufig keine Physiognomie erkennbar. Insgesamt sieht sich der Betrachter bei den hier kurz skizzierten künstlerischen Positionen mit einer Pluralität künstlerischer Eingriffe und Wertsetzungen konfrontiert, die ihm quasi simultan eine sinnliche Erkenntnis und ästhetische Wahrnehmung ermöglichen. Ein entscheidender Aspekt verbindet die drei Künstlerinnen: In der Konvergenz und Divergenz von Geistes- und Naturwissenschaftlichem als individuelles und subjektives Echo auf die Welt, auf Erlebnisse, Erfahrungen, auf Begegnungen, auf ganzheitliche Auseinandersetzung von Gesehenem und Gehörtem, von Gelesenem und Gefühltem, verstehen sie ihre Kunst als eine noetische Dienstleistung: Ohne Bilder sind wir blind.

In der Konsequenz dieses Ansatzes ist Wirklichkeit ein Konstrukt, das wir mit fiktionalen Mitteln durch Anschauungsformen, Projektionen, Phantasmen und Bildern hervorbringen. Erkennen ist eine grundlegend metaphorische Tätigkeit. Der Mensch ist ein „animal fingens“. Wir schaffen Organisationsformen, die so beweglich und elastisch verfasst sein müssen, wie die Wirklichkeit variabel und veränderlich ist. Alle unsere Orientierungen sind fiktional strukturiert und sehr fragil. Im Zentrum von Wahrnehmen und Verstehen befinden sich folglich nicht mehr gegenständliche, sondern energetische Welten. Das Interesse für letzteres Feld ist denn auch erkenntnisleitendes Interesse in der Malerei von Nanny de Ruig, Renate Löbbecke und Irene Warnke.

Oliver Zybok